Mittwoch, 23. März 2011

Rall und Schauch, Pt. II

Es raucht schallend, wo ich bin. Das Gesetz erkennt meinen rechtmäßigen Namen an, aber feiern darf ich nicht, weil anderwärts Papiere unrechtmäßig sind und der Schall, den ich absondere die Exekutive auf den Plan ruft. Neider, Konkurrenten, *Rezensoren... was weiß ich, was diese Kräfte treibt. Es ist fies, es ist gemein, es hat keine Liebe und keinen Namen und kommt damit durch. Kann doch nicht sein!

Mittwoch, 2. März 2011

Ein Tag in drei Zügen

What´s up

Die Sonne blinzelt auf beraifte Frühblüher und macht sie glitzern. Sie ist etwas wacher noch als ich, aber immerhin. Ich paddle gegen einen Ampelstrom; KnallBunt, BauchAbdruck, SchönSchwanger... Mein Lieblingskaufladen hat noch nicht geöffnet – wozu und vor Allem: Wie sich solche Zahlen merken?! Auch die anderen Läden, in die ich will, haben noch geschlossen. (Ich war gestern etwas zu aufgeschlossen und indem ich daran denke, bekomme ich schon wieder Lust auf ein Bier – das kann doch nicht wahr sein!)
Also zum Frühaufbäcker, einen Alibi-Kaffee - in zweierlei Hinsicht - um an Zettel und Stift zu kommen, bevor mir Alles aus dem Kopf fällt. Die Verkäuferin reicht mir Kaffee, Zettel und Stift und fordert einen Liebesbrief. Herrgott, ich wollte doch nur einkaufen!
Als ich wieder auf die Straße trete, fällt mir als Erstes der Schornsteinfeger auf dem Dach schräg gegenüber auf, der ins Bild geht und wieder raus, wie ein Tangotänzer. Ich muss grinsen. Vielleicht geht dieser Tag ja doch ohne größeren Schaden zu Ende. Daran zweifelnd stolpere ich weiter neben mir her und kann nun endlich meinen Kaufladen betreten. Den Kaffeebecher stelle ich draußen an der Hauswand ab, ist sowieso zu heiß. Halbwegs zielsicher bugsiere ich nun die Saft-, Brause- und Wasserflaschen in den runden Bastkorb, sage dem Verkäufer, wie ich den Wein letztens fand und dass ich heute keinen will. Dann noch in den Tabakladen. Rauchen kann ich zur Zeit wirklich fast immer. Das abgestellte Alibi sammle ich erst danach wieder ein. In diesem Kleinod ist das möglich, ohne in Lebensgefahr zu geraten. Das besorgen ganz andere Dinge. Die Schneiderin, der ich gern meine neue Nummern zu großen -Second-Hand-Kapuzenpullitag-Jeans anvertrauen will, kann nicht leider noch antreffen. Sie öffnet erst in einer knappen Stunde.
Auf dem Weg zurück in die Wohnung gebe ich einem traurigen Strauch mein Alibi. Dort angekommen stelle ich die Tasche ab und fest, dass der Zettel weg ist. Rausgefallen, aus der Ich-weiß-nicht-mehr-welche-Tasche, schätze ich, vielleicht aber auch den von der Spenderin gewünschten Dienst erfüllen. Also doch erstmal die Wäsche, dann aber schnell die angestauten Sätze ins Notizbuch. Da sind sie besser aufgehoben. Ob gebundene Seiten, oder nicht garantiert aber trotzdem nur Eines - das Spickzettelphänomen.
Den Anfang rekonstruierend und meine seidene Realität weiterspinnend sitze ich im Zug, schwebe in die große Stadt.


Berlifornication

Ich springe kurz in der Uni vorbei, um noch so einen Bürokratenkram zu klären, dann weiter zum Friseur. Ich bin überpünktlich, als wollte ich die Verspätungen der letzten Male alle aufholen. Unter schnaspelnder Schere rephilosophiere ich meiner Leibbarbierin über die Allgegenwart von Gewalt, Macht, Ausschließungsmechanismen und wir tauschen uns über Autounfälle aus. Sie hatte die größeren, was daran liegt, dass sie regelmäßig fährt. Beim Rauchen vor dem Salon in der Sonne komme ich noch mit einem interesssanten, stillen und scheinbar literaturinteressierten Radiomenschen ins Gespräch, dessen kleiner Laden direkt neben dem meiner Freundin – ich komme sei knapp einem Jahr fast jeden Monat einmal her - mir zum ersten Mal auffällt.
Nun aber endlich los. Da der Bus gerade weg ist, entscheide ich mich nach kurzem Blick auf die Karte für einen kleinen Sonnenmarsch zum nächsten U-Bahnhof in dieser (heute) so freundlich-bürgerlichen Vorstadt, komme an der polizeibewachten libyschen Botschaft vorbei, und erinnere mich daran, dass ich heute schon zweimal eine Tageszeitung in der Hand aber keine Zeit und keinen Platz im Kopf hatte. Auf der Fahrt zur Arbeit steige ich einmal falsch aus, um mir einen wunderschönen, spamfreien Bahnhof anzusehen. Dieses Großstadtspinnennetz heute mal von seiner Peripherie aus entdeckend, steige ich in der bewegten Mitte wieder aus dem Untergrund empor, biege mit windzerzaustem Haar um die zwei Ecken und komme müde, hungrig und freudig erregt im Büro an.


Good Vibrations

Ausgelassene Stimmung herrscht hier auch schon ohne mich, ob skurriler Winkel des digitalen Netzes. Ich würde gern die Besenkammer aufräumen, doch reagiere ich mich dann über der Buchhaltung ab und werde immer schwächer und unkonzentrierter. Das minimiert jedoch nicht die Qualität meiner Arbeit, sondern nur ihr Tempo, so hoffe ich. Meine Kollegin ermuntert und lobt mich währenddessen die ganze Zeit und wir unterhalten uns über neuronale Abnormitäten. Der Verlagskater schafft es während einer kurzen Abwesenheit der Chefs nicht, die Mäuse vom Tanzen abzuhalten. Im Gegenteil, er steht an der Treppe und bejammert seine Einsamkeit und Vernachlässigung, dieser schöne Heuchler. Natürlich gehen wir auf ihn ein und nebenbei jongliere ich mit den Zahlen auf den Rechnungen. Ein System ist mir möglich. Es scheint auch zufriedenzustellen. Somit ebenfalls zufrieden stöbere ich noch kurz im sozialen Netzwerk herum und trete dann den Heimweg an. In der Bahn verteile ich noch ein paar Erinnerungsmails für die in zwei Tagen angesetzte Konferenz des Stadtteilnetzwerkes in meinem Kleinstadt-Kiez und versuche die telephonierende Essgestörte neben mir zu überhören. Dabei hilft mir ein Blick auf die füllige Frau gegenüber, die sehr gespannt in einem Obdachlosenmagazin liest und wesentlich glücklich aussieht.
Zuhause erwartet mich ein Brief meiner Mutter, von dem ich doch tatsächlich etwas Schönes erwarte. Der Unsinn einer solchen Vorfreude fällt mir beim Erblicken des Schriftzuges "Familienkasse" im Briefkopf wie Schuppen von den Augen. Das Altpapier stapelt sich zu einem riesigen Berg. Raus damit. Den Brief muss ich leider behalten. Noch immer flirre ich herum, kreuz und quer durch die Wohnung, beschränke mich langsam auf die Küche und das unregelmäßige Kochdreieck. Einige Zigaretten später ist endlich dieser Tag niedergeschrieben, der mich so getrieben hat. Der Schaden ist begrenzt auf ein überlastetes Handgelenk und ich nehme mir vor, endlich meinen Bürowareneinkauf zu machen, um auch weicher zu führende Schreibwerkzeuge zu besorgen. Die einzige Gefahr besteht noch darin, dass ich mit einem riesigen Wumms von der Hochbettleiter falle. Ich werde mich sorgfältig an die Sprossen heften.