Donnerstag, 28. Oktober 2010

Zu weit rausschwimmen

Ich bin weit draußen jetzt, der Euphorie darüber geschuldet, endlich sicher schwimmen gelernt zu haben. Ringsherum nun Wasser, das ein schwappendes Geräusch macht und mir ins vor Erschöpfung verzerrte Gesicht, das ich nicht sehen kann, tropfenweise meinen Übermut spuckt. (Ich muss an meinen Surfversuch im letzten Sommer denken). Während ich ohne weitere Schwimmbewegungen kurz unterm Kinn an der Wasseroberfläche aufgehängt bin, zieht etwas an meinem rechten Fuß, bilde ich mir ein. Alles schwimmt und ich hänge mittendrin. Ein Perspektivwechsel ist physikalisch nicht möglich. Zu sehr vermisse ich die Vogelperspektive, die ich so gern einnehme, um auf die kleinen Dinge zu schauen. Dies hier ist größer als ich, daran habe ich nun keinen Zweifel mehr. Zurücklehnen geht jetzt nicht. Oder doch? Eine Weile auf dem Rücken liegen ginge, wenn ich ruhig und gleichmäßig dabei atmete. Kräfte sammeln im Kopf. Aber was, wenn ein Schiff oder sonst irgendetwas kommt. Das bedeutete Gefahr. Dann wäre ich hinüber oder schlimmstenfalls hinterher noch viel angestrengter. Der Mut ist jetzt ein Untermut. Jedoch will ich den Kopf nicht hängen lassen und er darf auch nicht aus der Aufhängung rutschen. Bei meinem Surfversuch im letzten Sommer hat mich ein vielseitiger Paddler gerettet. Ein richtiger Kanute war das nicht und auch kein Surfer, aber er konnte beides irgendwie und so durfte ich in der sich so viel sicherer anfühlenden Plastik-Nussschale reisend das Ufer doch wieder betreten, mich erschöpft im Sand niederlassen, den Alleskönner beim Stück für Stück Näherkommen beobachten und mir schwören, so etwas nie wieder zu tun.
Eigensinnige Dialektik: Schwüre sind ja nur dazu da, dass man sie brechen kann. Und das Vergessen spielt eine wichtige Rolle im Gedächtnis.
Zu allem Überfluss beginne ich zu frieren und die einzige Bewegung, die jetzt noch von mir ausgeht ist ein Bibbern, nicht nur vor Kälte, auch vor Resignation. Warum kann ich denn nicht einfach mal, wie tausende Andere auch, schön gemütlich in den Süden fliegen und faul in der Sonne liegen? Warum lockt mich denn immer das Meer, das Leben, die Herausforderung, und warum kommt regelmäßig das Gefühl auf, dass dies irgnedwie doch nicht mein Element ist. Ängste kommen auf und ich gehe unter. Was soll der Mist von Selbstzerstörung? Der smarte Wassersportler hätte das nicht mit ansehen können und die coolen Typen, die mir so verantwortungslos selbstverständlich Board und Segel ausgehändigt haben, wären sauer, weil sie womöglich meinetwegen ihren coolen Job verloren hätten. Die Interessen meiner Mitmenschen helfen mir manchmal zu meinen eigenen zurückzufinden. Also schwimme ich los, in der Hoffnung, dass das Abenteuer bald vorbei ist und ich erschöpft im Sand liegen kann.

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